Gezielte Tötung von Aiman al-Sawahiri Menschenrechtsanwalt hält Drohnenschlag für völkerrechtswidrig Für US-Präsident Biden war die Tötung des Al-Qaida-Anführers ein Akt der Gerechtigkeit. Der Berliner Jurist Wolfgang Kaleck kritisiert die Drohnenattacke im SPIEGEL - als Verstoß gegen internationales Recht.

05.08.2022, 18.32 Uhr o aus DER SPIEGEL 32/2022

Topterrorist al-Sawahiri in einem Video aus dem Jahr 2006: Tod auf dem Balkon
Foto: AL-JAZEERA / AP / dpa

Der Berliner Menschenrechtsanwalt Wolfgang Kaleck hält die Tötung des Al-Qaida-Anführers Aiman al-Sawahiri durch einen US-Drohnenangriff in Kabul für rechtswidrig. "Gezielte Tötungen von unliebsamen Personen, selbst solchen, die schwerer Verbrechen verdächtig sind, sind nur unter engen Voraussetzungen völkerrechtlich zulässig", sagte er dem SPIEGEL.

Der bewaffnete Konflikt sei mit dem Abzug der westlichen Truppen aus Afghanistan 2021 beendet. Abseits des Schlachtfelds könne eine Tötung rechtlich nur zur Gefahrenabwehr legitimiert sein, "allerdings ging eine konkrete Gefahr oder Angriff von al-Sawahiri jedenfalls in diesen Tagen nicht aus", so Kaleck. Er fordert die Bundesregierung auf, die USA für die Verletzung internationaler Rechtsprinzipien zu kritisieren.

Kaleck ist Generalsekretär der Menschenrechtsorganisation ECCHR. Sie vertritt mehrere Jemeniten, deren Angehörige bei einem US-Drohnenangriff starben.

Wohl noch in diesem Jahr soll sich das Bundesverfassungsgericht damit befassen, ob Deutschland eine Schutzpflicht gegenüber potenziellen Opfern solcher Attacken hat - die US-Airbase im rheinland-pfälzischen Ramstein spielt eine wichtige Rolle im weltweiten Drohnenkrieg.

US-Juristen erteilten grünes Licht

Al-Sawahiri war einer der engsten Weggefährten des Al-Qaida-Gründers Osama Bin Laden. Nach dessen Tod 2011 wurde der gebürtige Ägypter zum neuen Anführer der Terrororganisation.

Am vergangenen Sonntagmorgen töteten die USA al-Sawahiri durch zwei von einer ferngesteuerten Drohne abgefeuerte Hellfire-Raketen. Der Al-Qaida-Chef hielt sich auf dem Balkon eines Hauses in der afghanischen Hauptstadt Kabul auf.

Nach Recherchen der BBC hatte ein Juristenteam der US-Regierung zuvor grünes Licht für die gezielte Tötung des Topterroristen erteilt. Aufgrund "seiner anhaltenden Führungsrolle bei al-Qaida und seiner Beteiligung und operativen Unterstützung von Al-Qaida-Anschlägen" sei al-Sawahiri ein legitimes Ziel.

Am 25. Juli soll US-Präsident Joe Biden den Angriff genehmigt haben. "Der Gerechtigkeit wurde Genüge getan", verkündete er nach der tödlichen Attacke.


Quelle: spiegel.de